… zu schnell, zu komplex, zu überreizt … – … meine kleine Welt dreht nicht mehr rund

Achtsamkeit als Medizin für meine kleine Welt

Vieles in meiner bescheidenen, kleinen Welt war noch in Ordnung an diesem Samstagmorgen anfangs Juni 2016: Fallstudie im Fach Prozessmanagement im Lehrgang für angehende Führungsfachleute. Die Diskussion der Übungsresultate zeigt, dass es für die Studierenden noch etwas an Vorbereitungsaufwand bedarf bis zur Prüfung im Herbst 2016. Die Besprechung zeigt aber auch, dass das Thema Effizienzsteigerungen – bedingt durch einige Jahre Berufserfahrung -bereits sehr tief in den Köpfen der Studenten verankert ist .

Seit diesem Vormittag sind 6 Wochen vergangen. Wochen, in denen uns täglich vor Augen geführt wird, wie gespalten die Gesellschaft ist und wie gewaltbereit, hinterhältig und bösärtig einzelne Menschen auf diesem Planeten sind. Es scheint, als ob der Einzelfall mittlerweile stündlich „grüssen“ würde. Für mich, und viele andere auch, waren es aber auch Wochen des Genusses, denn der Sommer 2016 ist endgültig angekommen – Ferien, Sommerfeste, Familienzeit. Zeit für Gespräche, Rück- und Ausblicke und Erholung.

Dieser Mix aus aktuellem Weltgeschehen, der spürbaren Unzufriedenheit mit der herrschenden Arbeitswelt in meinem Umfeld und den eigenen wunderbaren Erlebnissen des Sommers 2016 ist zu viel für mich. Der tägliche Live-Ticker-Mix, bestehend aus Facebook, Twitter, WhatsApp, E-Paper und einigem mehr, in welchem „Hochs-und-Tiefs“ gefühlsmässig im Minutentakt abwechseln, wühlt mich auf.

Ja, meine aktuelle Welt-Version ist zu schnell, zu komplex und zu überreizt geworden … Ich will da wieder raus!

Meine Recherche zu diesem Thema zeigt, ich bin nicht alleine auf der Suche nach dem „Ausgang“-Schild.

 

Effizienzstreben ohne Sinnhaftigkeit ist ein Auslaufmodell

Die aktuelle Gewaltspirale und die Menschenbewegungen auf der gesamten Welt beschäftigen uns alle, aber da ich bis zum heutigen Zeitpunkt leider noch keine allgemein gültige Formel für zukünftigen Weltfrieden gefunden habe, richte ich meinen Fokus auf das Tempo, die Komplexität und die Überreizung unseres Alltags, und damit kommen wir wieder zurück zum Einstiegsbeispiel.

Ich merke, dass ich gedanklich immer weniger Bezug zu unserer reinen Effizienzkultur – wie sie den meisten von uns im Lauf ihrer Berufskarriere eingetrichtert worden ist – habe. Was auf den ersten Blick nach meinem persönlichen Luxusproblem aussieht, betrifft unsere Gesellschaft aber deutlich stärker als von vielen angenommen!

Das Streben nach immer mehr Effizienz führt bei immer mehr Menschen zu gesundheitlichen Belastungen, aber auch zu zunehmender Unzufriedenheit mit der Arbeitswelt und zu einer immer stärkeren Spaltung der Gesellschaft, in diesem Fall in Arme und Reiche. Was eine solche Spaltung auslösen kann, erleben wir tagtäglich zur Genüge in den News-Meldungen aus den Themengebieten wie Religion, Nationalität, politischer Gesinnung oder dem unterstützten Fussballclub.

Bei jedem von uns kommen sie eines Tages, die Fragen nach Gerechtigkeit und dem Sinn des Ganzen. Reines Effizienzstreben und Wettbewerbsfähigkeit können irgendwie ja nicht alles sein. Versteh mich nicht falsch, ich bin der festen Überzeugung, dass Effizienz erstrebenswert und von absoluter Relevanz ist, aber nur in Kombination mit Sinnhaftigkeit.

In unserer Welt, in der – in Ergänzung zum vorherrschenden Effizienzgedanken – eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit immer schwieriger wird, wird Alltag von vielen von uns immer mehr geprägt von ständiger Erreichbarkeit, Dauerbelastung und Stress.

Dazu ein kurzer Exkurs: Ob diese verschwindende Trennung – Work-Life-Blending genannt – eher als Fluch oder Segen wahrgenommen wird, hängt aus meiner Sicht von folgenden beiden Faktoren ab: 1. Akzeptiere ich die Tatsache, dass diese Trennung heute nicht mehr möglich ist? 2. Bin ich flexibel und offen genug, diese Vermischung in beide Richtungen anzuwenden (Beispielsweise ohne schlechtes Gewissen Privates während der „Arbeitszeit“ zu erledigen)?

In den Zeiten von Effizienzstreben und Work-Life-Blending werden aktive Auszeiten für jeden Einzelnen immer wichtiger. Zudem höre ich die Rufe nach Fokussierung und Ruhe immer lauter. Hilfe dazu ist unterwegs, denn Trends wie Slow Business und Achtsamkeit gewinnen immer mehr Bedeutung. Was diese Trends beinhalten und welche Medizin Du Dir für Deine kleine Welt verabreichen kannst, erfährst Du in den nächsten Kapiteln.

 

Slow Business, ein möglicher Ausweg im Berufsleben

Immer mehr Wirtschaftsbereiche kehren langsam aber sicher vom vorherrschenden Grundsatz ab, dass wenn etwas zu lange dauert – egal ob es sich dabei um Entscheidungen, Prozesse, Projekte, etc. handelt – es per Definition schlecht sein muss. Begriffe wie Slow Food und Slow Travel, sind vielen bereits ein Begriff. Weitere Bereiche der Wirtschaft werden folgen.

Wenn sich doch die Welt schon viel zu schnell dreht, muss ich diese in den beruflichen Pausen doch nicht noch überladen. Was spricht dagegen, den Fuss vom Gas zu nehmen, zu geniessen?

Am Beispiel von Slow Travel zeigt sich für mich deutlich, dass ein bewussterer Konsum ein deutliches Mehr an individueller Erfahrung mit sich bringt und dadurch die Lebensqualität steigt, mit dem „Nachteil“, dass die Menge an Sehenswürdigkeiten-Selfies gegenüber früherer Ferien deutlich abnimmt. Dem gegenüber stehen Reiseerlebnisse, die durch die Aufnahme des Erlebten mit allen Sinnen zu einem Mehr an Inspiration führen.

 

Mit Achtsamkeit sich in der heutigen Welt behaupten

Achtsamkeit – englisch mindfulness – ist einer der aktuellen Trend-Begriffe. Oft gehört, diverse unterschiedliche Definitionen, und jeder versteht etwas anderes darunter. Achtsamkeit hat den Ursprung in der Spiritualität / Meditation. Aber das ist „nur“ eine Grundtechnik der Achtsamkeit. In meiner Verwendung des Begriffs geht es nicht „nur“ um Pilates und Yoga, sondern hauptsächlich um die gedankliche Wiederentdeckung des Selbst.

Von Unternehmen den eigenen Mitarbeitern in gutem Glauben aufgezwungene Mail-Zwangspausen und digitalen Zugangssperren zeigen zwar, dass das Thema Achtsamkeit in der Gesellschaft angekommen ist und von den Medien gehypt wird, aber sie lösen das grundsätzliche Problem nicht, denn um die persönliche Selbstwirksamkeit, die eigene Gewissheit, neue oder schwierige Situationen dank eigener Kompetenzen bewältigen zu können, muss ich mich aus eigenem Antrieb kümmern.

Wenn ich eine hohe Selbstwirksamkeit habe, dann geht es mir physisch und psychisch besser. Wenn es mir besser geht, verfüge ich über mehr Ressourcen. Wenn ich über mehr Ressourcen verfüge, dann bin eher dazu bereit, mich für meine Belange einzusetzen. Wegen dieses Kreislaufs ist Selbstwirksamkeit für jeden von uns von Bedeutung.

Doch wie passt Achtsamkeit in diese Welt, eine Welt der Informationsüberflutung, der Effizienz, der Gleichzeitigkeit und der Angst? In eine hysterische Gesellschaft, die gar nicht mehr nachkommt, das temporäre Facebook-Profil anzupassen und neue Twitter-Hashtags zu generieren und in der im täglichen Kampf um Klickraten jegliche Panikmache, Sensationslust, Skandalisierung und Übertreibung in Kauf genommen wird? In eine Welt in der Angst und Hass zu immer primitiveren Weltbildern führen und jeder das Gefühl hat, jederzeit seine eigene Meinung präsentieren zu müssen?

Bei der Achtsamkeit geht es darum, in dieser zu schnellen, zu komplexen und zu überreizten Welt neu zu lernen sich auf sich selbst zu besinnen. Wir definieren selbst, wie wir durch unsere Aufmerksamkeit einen eigenen Beitrag zu dieser Entwicklung leisten. Jeder von uns definiert die Geschwindigkeit und Komplexität seiner Welt selbst! Im Zeitalter der Übernervosität ist wieder verstärktes Mitdenken gefragt – wir müssen nicht alles glauben was wir als Informationshappen aufschnappen. Machen wir uns auf den Weg heraus aus dem Müssen, hin zum selbstbewussten Zielesetzen, statt nur den Zielen anderer hinterherzujagen. Ansätze zu mehr Lebensqualität durch Selbstbestimmung habe ich bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgestellt (Dürfen Gewinnertypen Mittagsschlaf halten)

Als achtsame Menschen wissen wir, dass Krisen Impulse sind, die aus dem Status Quo ausbrechen wollen.

Ergänzende Informationen zum Thema Achtsamkeit gibt es unter anderem auch im Spiegel: Achtsamkeit – Was ist das?

 

Das tönt in der Theorie gut, aber ich brauche noch Hilfe bei der Umsetzung in meinem Leben

Ja, ich habe verstanden, dass es zukünftig eine Wandlung von reinem Effizienzstreben hin zu einer Effizienz Sinn inklusive geben wird. Gewinnmaximierung wird als Antwort in dieser Zeit nicht mehr ausreichen. Trends wie Slow Business und Achtsamkeit tönen gut, aber wie nehme ich diese Visionen mit in meinen Alltag?

Fange bei Dir selber an! Gerne gebe ich Dir dazu einige persönliche Inputvorschläge:

Persönliche Einstellung:

  • Werde Dir über Deine persönliche Grundhaltung bewusst. Status Quo oder neue Experimente? Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Aus diesem Grund hält er oft am Status Quo fest, denn Gewohntes gibt Sicherheit. Aber: Neues braucht die eigene Transformation, Visionen und ein ganzheitliches Denken. Wie ist deine persönliche Einstellung?
  • Trenne die wichtigen Bestandteile Deines Lebens vom Überflüssigen und ergänze Deine unzähligen To-Do-Listen um eine NOT-TO-DO-Liste (tollen Input dazu und zu vielem mehr gibt es auch von Förster & Kreuz) und habe das Selbstvertrauen, die Bestandteile dieser Liste auch konsequent umzusetzen. Auf meiner NOT-TO-DO-Liste stehen beispielsweise folgende Dinge:
    • Ich will keine Zeit mit Menschen verbringen, die mich nicht interessieren, denn Smalltalk empfinde ich als sehr anstrengend.
    • Ich will den Fernseher nicht aus Langeweile anstellen! Wenn, dann schaue ich zuvor bewusst gewählte Sendungen.
    • Ich will gewisse Zeiten bewusst mit meiner Familie geniessen, deshalb gibt es für mich keinen Handy-Konsum zwischen Aufwachen und Frühstück, zwischen 18.00 Uhr und dem Kinder-ins-Bett-Bringen. Ausserdem übernachtet mein Handy ausserhalb von meinem Schlafzimmer.

Arbeitsleben:

  • Nimm Dir bewusste Auszeiten.
  • Fokussiere Dich bewusst auf eine Sache.
  • Zeichne für die Entscheidungsträger ein attraktives Bild von der Zukunft, denn diese sorgen, dafür ob die Umsetzung neuer Visionen beschleunigt oder gebremst werden.
  • Über die persönliche Freiheit im Berufsleben empfehle ich einen früheren Artikel: Persönliche Freiheit im Berufsleben ist nicht umsonst …

Informationskonsum:

  • Arbeite daran, Deine persönlich digitale Weisheit zu entwickeln. Du musst nicht alle technischen Möglichkeiten jeder App bis ins letzte Details kennen, aber Du musst für Dich entscheiden ob und wie Du sie nutzen möchtest.
  • Erliege dem Reiz der virtuellen Netzwerke nicht. Du sollst diese nicht ignorieren, aber selbst bestimmen (z. Bsp. mittels Deiner NOT-TO-DO-Liste)
  • Hinterfrage Deine Wirklichkeitswahrnehmung regelmässig.

Slow Travel:

  • Besuche Orte an denen Du bereits einmal warst, dann kannst Du viel bewusster geniessen und hast weniger das Gefühl etwas zu verpassen.
  • Miete eine Ferienunterkunft abseits vom Jubel und Trubel, am besten gemeinsam mit Menschen die Dir wichtig sind.

Welche Methoden wendest Du an, um in dieser Hochgeschwindigkeitswelt nicht aus der Kurve getragen zu werden? Und welche Dinge stehen auf Deiner NOT-TO-DO-Liste?

Ich freue mich darauf, aus Deinen Erfahrungen zu lernen.

Herzliche Grüsse und eine gute Woche

Pascal

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