Sind mitdenkende Mitarbeiter im Wertschöpfungsprozess Deines Unternehmens erwünscht?

Keine Frage, die Arbeitswelt befindet sich in einem rasanten Wandel. Stichworte wie New Work und Digitalisierung beherrschen die Diskussion in den Unternehmen in immer stärkerem Ausmass. Neue Ansätze in den Bereichen Unternehmenskultur, Unternehmensorganisation und im gegenseitigen Umgang zwischen den Mitarbeitern, sind für mich persönlich zentrale Themen, aber – und das ist ein wirklich grosses ABER – nur wenn diese zu einer Leistungssteigerung der Organisation führen, haben sie aus meiner Sicht eine Daseinsberechtigung. Damit dieser Spagat gelingen kann, müssen die involvierten Parteien, z. Bsp. Personal- und Organisationsentwickler, ein Verständnis für die Wertschöpfung der Unternehmung entwickeln.

 

Wertschöpfung im Wandel der Zeit

„Früher war Wertschöpfung die möglichst effiziente Bewältigung der Norm. Heute ist sie der möglichst robuste Umgang mit der Ausnahme, dem Neuen, der Dynamik“.

Bereits in dieser Definition wird deutlich, dass das Unternehmen von heute vor grossen Herausforderungen im Allgemeinen und im Prozessmanagement im Speziellen steht.

Früher, das war zur Zeit der Industrialisierung, als unter anderem die Fliessbänder aufkamen und damit die Grundlage für Massenproduktion und damit für grössere und trägere Märkte gelegte wurden. In diese Zeit fällt auch die Begründung des „Scientific Management“ durch Frederick Taylor, welches in dieser Form auch 100 Jahre später noch vielerorts Gültigkeit hat. Dieses Prinzip der Steuerung von Arbeitsabläufen sieht eine strikte Trennung von Denken und Handeln vor. Das „Management“ schreibt dabei die Arbeitsläufe detailliert vor und sorgt für eine enge Kontrolle der ausführenden „Arbeiter“. Die Wertschöpfung entstand dabei durch effizientes, rasches Repetieren von Routine-Tätigkeiten auf der Basis von genormten und streng überwachten Prozessen. Für die, von 1910 bis ca. 1980 vorherrschende, komplizierte Welt, war der „one-best-way“ von Taylor, welcher zur Einführung von formalen Hierarchien, Ab-Teilung von Funktionen und mehrjährigen Zukunftsplanungen führte, absolut perfekt. Diese Fokussierung führte zu einer bis dahin nie erlebten Effizienz.

Dieses Prinzip, worauf unsere Betriebswirtschaftslehre basiert, funktioniert genau so lange gut, wie unser standardisierter Wertschöpfungsprozess ohne Überraschungen abläuft, denn unser BWL-Verständnis versucht nichts weiter, als die Norm zu administrieren.

Seit ca. 1990, die Jahreszahl variiert je nach Branche, verdichten sich die Märkte, es gibt mehr Wettbewerb, mehr Innovation und Kundenwünsche die, bedingt durch grösseren Wettbewerb, nicht mehr so einfach ignoriert werden können wie früher. Aus relativ normierten, überraschungsfreien Märkten entstanden in den vergangenen 20 Jahren komplexe, dynamische Märkte, die sich in ständiger Veränderung befinden. Das führt unter anderem dazu, dass bestehende Regeln / Prozesse immer öfter nicht mehr zum Problem oder Kundenwunsch von heute passen. Das können sie auch gar nicht, denn diese können per Definition immer nur die bekannte Norm der Vergangenheit abbilden. Ideen von Kunden oder Mitarbeitern für einen innovativen Umgang im Wertschöpfungsprozess zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse stehen immer stärker im Konflikt mit den bestehenden Arbeitsanleitungen, den Jahreszielen, den internen Weisungen und allen weiteren Management-Praktiken, die in den Unternehmen von Bedeutung sind.

Auf der Basis dieses Denkfehlers, dass wir glauben, die Probleme in einem lebendigen Markt, mit Tools und Praktiken aus einer vergangenen, überraschungsfreien, auf repetitive Tätigkeiten ausgerichteten Welt lösen zu können, folgern viele Unternehmen, dass sie die Kontrolle nur durch noch mehr Steuerung und Führung zurückgewinnen. Alles muss mess- und steuerbar sein.

Zu was das führt, kennen viele von euch: Mehr Abstimmungsmeetings, mehr Kennzahlen, mehr Reportings, etc.. Im Extremfall führt das dazu, dass sich ganze Gruppen aus dem eigentlichen Wertschöpfungsprozesses des Unternehmens teilweise mehr als 80 % ihrer Arbeitsleistung für betriebsinterne Management-Praktiken aufwenden (müssen) und nur noch ein Bruchteil für die wirkliche Bearbeitung der Wertschöpfungsprobleme zur Verfügung steht.

Wozu das in der Praxis führt?

Die unzufriedenen und frustrierten Mitarbeiter entscheiden zwischen 2 Möglichkeiten:

  • Dienst nach Vorschrift oder
  • Aufbau einer Schattenorganisation, in welcher eigenverantwortliche Mitarbeiter Vorschriften umgehen, sich für die Wertschöpfung für die Kunden einsetzen und damit das Unternehmen am Leben halten, dabei aber vorspielen „müssen“, sich gemäss den bestehenden Regelungen und Weisungen zu verhalten.

Früher oder später, wird der zunehmende Kontrollmechanismus grössere, bestehende Unternehmen an den Rand des Kollaps bringen, aber das müsste nicht sein. Anstelle dieses „Business-Theaters“, wären echte Veränderungen möglich, die für die Organisation und den Mitarbeiter Nutzen bringen. Das Überbordwerfen von Verhaltensweisen aus der Zeit der Fliessbandtätigkeit, die Re-Fokussierung auf die Wertschöpfung und die Unterstützung durch das Management bei den Herausforderungen im „Hier und Jetzt“ wären Schritte in die richtige Richtung.

 

Ein Corporate Unruhestifter kann der Türöffner für Veränderung sein

Unternehmen, die sich weiterentwickeln wollen, benötigen Störungen des Normalbetriebes. Wer erkennt, dass das Hinterfragen von Routinen, „historisch“ gewachsener Zustände, ungeschriebener Regeln und fester Überzeugungen für die zukünftige Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens relevant ist und keinen Hochverrat am Bisherigen darstellt, der kann von Störungen des Normalbetriebes nachhaltig profitieren.

Die offizielle Erlaubnis zum Mitdenken, zur Kritik am Bestehenden, kann die Unternehmenskultur verändern. Ein Corporate Unruhestifter, der über alle Hierarchiestufenstufen hinweg, die Rolle des Störenfriedes übernimmt, kann dabei der Türöffner für die Veränderung der Unternehmenskultur sein.

Agile Organisationen legen ihren Fokus darauf, mit der Unberechenbarkeit und der Komplexität der heutigen Welt umzugehen, statt sie beherrschen zu wollen.

Die Zeiten, als es die eine, richtige Organisationsform gab, sind aus meiner Sicht vorbei, aber durch das Trennen von komplexen und komplizierten Sachverhalten und der Anpassung der Organisation an das neue Umfeld, wird die Basis für eine erfolgsversprechende Unternehmenszukunft gelegt. Denn, die Mitarbeitenden passen ihr Verhalten immer an das System an, in dem sie sich befinden. Ihre Verhaltensweisen sind damit Spiegelbild des Systems.

 

Aber nicht alles Bestehende ist schlecht

Versteht mich nicht falsch, nicht alles was Jahrzehnte lang bestand hatte, ist plötzlich schlecht oder bedeutungslos.

Regeln und Prozesse haben nach wie vor ihre Relevanz. Repetitive Tätigkeiten benötigen zweifellos strenge Regeln. Dazu gehören klar geregelte Aufgabenfolgen, klare Anweisungen und Überprüfungsinstanzen. Alles andere führt zu Chaos und Chaos bringt niemandem etwas. Diese Situationen, für welche das Prozessmanagement ursprünglich „erfunden“ wurde, haben weiterhin ihre Berechtigung. Aber, …

…in einem dynamischen Umfeld, dort wo ein Problem immer wieder ein bisschen anders aussieht, braucht ein Unternehmen die Ideen, die mitdenkende Verantwortung, und dadurch Freiheit für die Mitarbeitenden. In diesem Bereich des Wertschöpfungsprozesses ist die Steuerung durch Anweisung und Kontrolle kontraproduktiv.

Das führt uns direkt zur zentralen Fragestellung des Unternehmens: Trauen wir unseren Mitarbeitenden zu, selber zu denken?

Ich bin sicher, auch die Mitarbeitenden in Deinem Unternehmen warten nur darauf, ihre Talente für echte Probleme zur Wertschöpfung in der neuen, komplexen Arbeitswelt beitragen zu können, wenn sie denn die notwendige Freiheit erhalten.

Und wie sieht das in Deinem Unternehmen aus. Dürfen die Mitarbeitenden mitdenken? Ich freue mich auf einen angeregten Austausch mit euch.

Herzliche Grüsse und einen guten Start ins Wochenende

Pascal

 

 

Quellen:

www.newworkbook.de

www.intrinsify.me

Prozessmanagement für Führungsfachleute, ISBN: 978-3-7155-9720-1

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